Ich bewege mich in einem Raum ohne Definition

 

Die Malerin Celia Mendoza

 

"Die Welt hat keine Beschaffenheit, die durch eine letztgültige Art der Beschreibung dargestellt werden könnte. Das heißt nicht, dass ihre Objekte und Ereignisse nicht irgendwie beschaffen wären; sie sind aus Holz, sie wiederholen sich in periodischer Folge, sie erschüttern die politische Welt, sie bewegen sich mit Lichtgeschwindigkeit fort, sie nehmen an einer Quizsendung teil, sie sind haltbar bis zum 31.12.09 - und vieles Weitere mehr. "Und vieles Weitere mehr": Diese Klausel markiert, was die Welt von der Reichweite unserer Kenntnis über sie unterscheidet. Die Welt ist reicher als das, was wir an ihr und in ihr erkennen können oder könnten. Das ist kein Zufall, denn es macht die Natur alles Wirklichen aus, dass es mehr zu bieten hat als alles, worauf wir es festlegen könnten."

 

"Ästhetische Wahrnehmung: in der bestimmbaren die unbestimmbare Welt vernehmen."

Diese beiden Aphorismen, entnommen der jüngsten Veröffentlichung des Frankfurter Philosophen Martin Seel, die dieser unter dem Titel: "Theorien" bei Fischer Wissenschaft vorgelegt hat, zielen genau auf ein Anliegen der Künstlerin Celia Mendoza: "Wahrnehmung ist keine Sache des Verstandes oder der Logik", sagt sie. "Sehen lernen darstellen sind adäquate Mittel, Bewusstein zu erweitern und so Erkenntnisse zu erlangen." Für sie wichtig:"Jenseits des Intellekts!"

Was an einem Kunstwerk beschreibbar und bestimmbar ist, ist nur die eine, die messbare Seite. Der Reichtum, die Wahrheit des Bildes liegt jenseits davon. Liegt im "Unbestimmbaren", das mit dem bestimmbaren Anteil mitschwingt. Für Celia Mendoza, die vor ihrer künstlerischen Ausbildung an der Münchner Akademie Politikwissenschaft, Philosophie und Ethnologie studiert hat, bietet die Kunst einen ganz eigenen, unersetzbaren Weg des Erkenntnisgewinns, einen, der nicht über den Gedanken, sondern über die Wahrnehmung verläuft. Sie sieht ihre abstrakten Farbfeld-Kompositionen als Werke, die sich nicht so sehr über den Verstand mittels eines abstrakten Gedankens erschließen, sondern vielmehr als eine "Welt", die sich der intuitiven Wahrnehmung öffnet. Deshalb vermeidet sie auch, ihrenr Arbeiten Titel zu geben. "Wenn man Bildern einen Titel gibt, dann schaltet sofort der Verstand ein und sucht im Bild nach diesem Thema. Der Betrachter ist nicht mehr offen für seine eigenen Impressionen und für das, was das Bild mir seinen Gefühlen macht. Der Verstand möchte etwas haben, dan dem er sich festhalten kann. Der Verstand möchte dann auch gleich noch eine Wertung gut/schlecht, schön/hässlich etc."

Celia Mendoza möchte keine Anhaltspunkte geben. Ihr Wunsch, der Betrachter möge sich auf ein Bild einlassen wie einer, der in einen fremden Kosmos fällt, zunächst ohne Orientierung, ohne Wegmarken ohne "Begriffe" - das verunsichert. Ja, aber diese kreative Verunsicherung ist der Türöffner zur wirklichen Wahrnehmung, dazu bedarf es Geduld, Zeit, Neugier, Interesse.

 

Gibt es gar keine Themen in den Arbeiten der Malerin? Vieleicht doch, und zwar eines, dass als uraltes Thema die Malerei seit jeher bewegt: Präsenz. Das Bild als der Träger und die Beschwörung von Gegenwart. Das Bild als ein Begegnungsort: Der Betrachter spürt in der Gegenwart des Bildes seine eigene Gegenwart.

Celia Mendoza bezieht sich hier auf eine Erfahrung, die Heidegger formuliert hat: nämlich das sich jedes Kunstwerk nicht nur einfach in einem Raum vorfindt, sondern seinen eigen Raum mitbringt. Das bedeutet: der Raum des Kunstwerks fügt dem vorhandenem Raum etwas hinzu. "Durch Schöpfung erweitern wir die Welt, wir erzeugen in der Welt neuen Raum", sagt Celia Mendoza.

"Ich stelle mit meinen Bildern sozusagen einen Raum bereit, einen Raum ohne Definintion. Und ich wünsche mir, dass der Betrachter ihm ganz bewusst und präsent begegnet, ihn betritt, sich auf ihn einlässt. Ich muss gar nicht so viel erklären, denn die Bilder sprechen für sich."

Entscheidend bei diesem "Angebot" ist allerdings, dass dieser Raum sich von den übrigen, "Vorcodierten" Räumen unserer Gegenwart unterscheidet und Spielraum lässt, Freiheit bietet für das Entfalten einer eigenen, inneren Erlebniswelt. Als vorcodiert empfindet Mendoza unsere "vorgeprägte Erlebniswelt", wie sie die Werbung und unsere vom Kommerz durchgestylte Umwelt für uns bereithält. "Der vorcodierte, durch Werbebilderwelten bereitgestellte Erlebnisraum lauert ja an jeder Ecke, in jedem Ding."

Ihre künstlerische Arbeit zielt darauf, den Menschen wieder mit sich selbst in Kontakt zu bringen, ohne ihm die Identität zu rauben und ihn zu übertönen.

"Ich mache es dem Betrachter leicht, da meine Arbeiten nicht  schreien, sondern ruhig auf ihn warten. Andererseits mache ich es ihm auch wieder schwer, denn in einer so lauten, schreienden und reizüberfluteten Welt wie der unseren muss er schon genauer hinhören und hinsehen."

Wer genau hinhört zbd hinsieht wird reich beschenkt.

 

 

Nikolaus Brass    

 

 

Oktober 2009